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Gaddula Sutta (2)

Die Leine

In Savatthi.  Dort sprach der Erhabene:
„Mönche, von einem unersinnbaren Anfang kommt immerwährendes Wandeln (samsāra).  Ein Anfangspunkt ist nicht ersichtlich, obwohl durch Unwissenheit gehemmte und von Begehren gefesselte Wesen immerfort wandern und wandeln.

„Gleich wie ein Hund, der mit einer Leine an einen Pfosten oder Pfahl gebunden ist:
Wenn er geht, geht er genau um diesen Pfosten oder Pfahl herum.  Wenn er steht, steht er genau neben diesem Pfosten oder Pfahl.  Wenn er sitzt, sitzt er genau neben diesem Pfosten oder Pfahl.  Wenn er sich hinlegt, legt er sich genau neben diesem Pfosten oder Pfahl nieder.

„In der gleichen Weise betrachtet ein ununterwiesener, herkömmlicher Mensch auf diese Weise:
‚Dies ist mein.  Dies ist mein Selbst.  Das bin ich.’
Er betrachtet Gefühl auf diese Weise:
‚Dies ist mein.  Dies ist mein Selbst.  Das bin ich.’
Er betrachtet Wahrnehmung auf diese Weise:
‚Dies ist mein.  Dies ist mein Selbst.  Das bin ich.’
Er betrachtet Gebilde (sankhāra) auf diese Weise:
‚Dies ist mein.  Dies ist mein Selbst.  Das bin ich.’
Er betrachtet Bewusstheit (viññana) auf diese Weise:
‚Dies ist mein.  Dies ist mein Selbst.  Das bin ich.’
Wenn er geht, geht er genau um diese fünf Anhäufungen des Anhaftens (upādāna khandha) herum.  Wenn er steht, steht er genau neben diesen fünf Anhäufungen des Anhaftens.  Wenn er sitzt, sitzt er genau neben diesen fünf Anhäufungen des Anhaftens.  Wenn er sich hinlegt, legt er sich genau neben diesen fünf Anhäufungen des Anhaftens nieder.

„Somit sollte man oft seinen Geist betrachten:
‚Lange Zeit wurde dieser Geist durch Leidenschaft, Abneigung und Verblendung befleckt.’ 
Durch Geistesbefleckung werden Wesen unrein.  Durch Geistesläuterung werden Wesen rein.

„Mönche, habt ihr jemals ein Wander-Bild gesehen?"

„Ja, Herr."

„Dieses Wander-Bild wurde durch den Geist bewirkt.  Und dieser Geist ist noch mannigfaltiger als ein Wander-Bild.

„Somit sollte man oft seinen Geist betrachten:
‚Lange Zeit wurde dieser Geist durch Leidenschaft, Abneigung und Verblendung befleckt.’ 
Durch Geistesbefleckung werden Wesen unrein.  Durch Geistesläuterung werden Wesen rein.

„Mönche, ich kann mir keine Wesensart vorstellen, die derart mannigfaltig wäre wie die gewöhnlichen Tiere.  Die gewöhnlichen Tiere sind aufgrund des Geistes geschaffen.  Und der Geist ist noch mannigfaltiger als die gewöhnlichen Tiere.

„Somit sollte man oft seinen Geist betrachten:
‚Lange Zeit wurde dieser Geist durch Leidenschaft, Abneigung und Verblendung befleckt.’
Durch Geistesbefleckung werden Wesen unrein.  Durch Geistesläuterung werden Wesen rein.

„Gleichwie ein Färber oder Maler - wenn da Lack-, gelbes Auripigment-, Indigo- oder Purpur-Farben wären - das Abbild einer Frau oder eines Mannes, mit allen seinen Körperteilen, auf eine gut polierte Tafel oder Wand oder auf ein Stück Leinen malen würde;
in der gleichen Weise bewirkt ein ununterwiesener, herkömmlicher Mensch beim Bewirken nichts als Form.
Er bewirkt beim Bewirken nichts als Gefühl.
Er bewirkt beim Bewirken nichts als Wahrnehmung.
Er bewirkt beim Bewirken nichts als Gebilde.
Er bewirkt beim Bewirken nichts als Bewusstheit.

„Nun was denkt ihr, Mönche?
Ist Form beständig oder unbeständig (anicca)?"

„Unbeständig, Herr."

„Und ist das Unbeständige voll Wohlgefühl oder voll Stress (dukkha)?“

„Voll Stress, Herr."

„Und ist es angebracht, das Unbeständige, Stressvolle, dem Wandel Unterworfene so zu betrachten:
‚Dies ist mein.  Dies ist mein Selbst.  Das bin ich?’“

„Nein, Herr."

„Ist Gefühl beständig oder unbeständig?"

„Unbeständig, Herr."

„Und ist das Unbeständige voll Wohlgefühl oder voll Stress?“

„Voll Stress, Herr."

„Und ist es angebracht, das Unbeständige, Stressvolle, dem Wandel Unterworfene so zu betrachten:
‚Dies ist mein.  Dies ist mein Selbst.  Das bin ich?’“

„Nein, Herr."

„Ist Wahrnehmung beständig oder unbeständig?"

„Unbeständig, Herr."

„Und ist das Unbeständige voll Wohlgefühl oder voll Stress?“

„Voll Stress, Herr."

„Und ist es angebracht, das Unbeständige, Stressvolle, dem Wandel Unterworfene so zu betrachten:
‚Dies ist mein.  Dies ist mein Selbst.  Das bin ich?’“

„Nein, Herr."

„Sind Gebilde beständig oder unbeständig?"

„Unbeständig, Herr."

„Und ist das Unbeständige voll Wohlgefühl oder voll Stress?“

„Voll Stress, Herr."

„Und ist es angebracht, das Unbeständige, Stressvolle, dem Wandel Unterworfene so zu betrachten:
‚Dies ist mein.  Dies ist mein Selbst.  Das bin ich?’“

„Nein, Herr."

„Ist Bewusstheit beständig oder unbeständig?"

„Unbeständig, Herr."

„Und ist das Unbeständige voll Wohlgefühl oder voll Stress?“

„Voll Stress, Herr."

„Und ist es angebracht, das Unbeständige, Stressvolle, dem Wandel Unterworfene so zu betrachten:
‚Dies ist mein.  Dies ist mein Selbst.  Das bin ich?’“

„Nein, Herr."

„Somit, Mönche, ist welche Form auch immer, vergangene, zukünftige oder gegenwärtige; innere oder äußere, grobe oder feine, gewöhnliche oder erhabene, ferne oder nahe, ist jede Form, wie sie geworden ist (yathābhūtam), mit rechter Erkenntnis zu sehen:
‚Dies ist nicht mein.  Dies ist nicht mein Selbst.  Das bin nicht ich.’

„Somit ist welches Gefühl auch immer, vergangenes, zukünftiges oder gegenwärtiges; inneres oder äußeres, grobes oder feines, gewöhnliches oder erhabenes, fernes oder nahes, ist jedes Gefühl, wie es geworden ist, mit rechter Erkenntnis zu sehen:
‚Dies ist nicht mein.  Dies ist nicht mein Selbst.  Das bin nicht ich.’

„Somit ist welche Wahrnehmung auch immer, vergangene, zukünftige oder gegenwärtige; innere oder äußere, grobe oder feine, gewöhnliche oder erhabene, ferne oder nahe, ist jede Wahrnehmung, wie sie geworden ist, mit rechter Erkenntnis zu sehen:
‚Dies ist nicht mein.  Dies ist nicht mein Selbst.  Das bin nicht ich.’

„Somit sind welche Gebilde auch immer, vergangene, zukünftige oder gegenwärtige; innere oder äußere, grobe oder feine, gewöhnliche oder erhabene, ferne oder nahe, sind jede Gebilde, wie sie geworden sind, mit rechter Erkenntnis zu sehen:
‚Dies ist nicht mein.  Dies ist nicht mein Selbst.  Das bin nicht ich.’

„Somit ist welche Bewusstheit auch immer, vergangene, zukünftige oder gegenwärtige; innere oder äußere, grobe oder feine, gewöhnliche oder erhabene, ferne oder nahe, ist jede Bewusstheit, wie sie geworden ist, mit rechter Erkenntnis zu sehen:
‚Dies ist nicht mein.  Dies ist nicht mein Selbst.  Das bin nicht ich.’

„Auf diese Weise erkennend, wird ein gut unterwiesener Schüler der Edlen hinsichtlich der Form ernüchtert, hinsichtlich des Gefühls ernüchtert, hinsichtlich der Wahrnehmung ernüchtert, hinsichtlich der Gebilde ernüchtert, hinsichtlich der Bewusstheit ernüchtert.  Ernüchtert, wird er leidenschaftslos.  Durch Leidenschaftslosigkeit wird er befreit.  Mit der vollkommenen Befreiung kommt die Kenntnis auf, ‚vollkommen befreit’.  Er erkennt:
‚Die Geburt ist beendet, das heilige Leben erfüllt, die Aufgabe erledigt.  Es gibt nichts weiteres um dieser Welt willen.’“


translated from the Pali by Thanissaro Bhikkhu
Übersetzung aus dem Englischen nach Thanissaro Bhikkhu